Globale Erwärmung, abnehmende Biodiversität und schwindende Ressourcen – die Welt, wie wir sie kennen, sieht sich vor große Herausforderungen gestellt und reagiert auf diese mit Wandel. Ein Wandel, der auch vor der Reifenindustrie nicht Halt macht. Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit sind längst keine Themen mehr, die sich nicht mit der Pneu-Produktion vereinbaren lassen, sondern ein Brandbeschleuniger für die grüner werdende Branche.
Doch wie sieht es beim Thema Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein wirklich in der Reifenindustrie aus? Und überhaupt: Wieso ist ein Umdenken nötig?
Grün ist (meist) anders: Die aktuellen Probleme der Reifenindustrie
Ein klassischer Reifenzyklus sieht folgendermaßen aus: Der Reifen wird produziert und gekauft, durch regelmäßige Fahrten genutzt und nach Ablauf seiner Lebenszeit bzw. bei abgelaufenem Profil entsorgt. Die Crux: In jedem dieser Lebensstadien produzieren herkömmliche Reifen Probleme – ökologische wie soziale. So werden Materialien genutzt, die laut Reifenhersteller Continental „sowohl bei der Herstellung als auch bei der Entsorgung schädlich für die Umwelt sein können“ und „zu erheblichen CO2-Emissionen“ führen.
Reifen nachhaltiger zu gestalten ist jedoch eine Mammutaufgabe, da diese aus vielen verschiedenen Materialien bestehen und auch die Herstellungsprozesse neu gedacht werden müssen. Eine Aufgabe, der sich heute jeder renommierte Reifenhersteller widmet – dennoch lassen sich die aktuellen Probleme nicht von der Hand weisen.
Naturkautschuk – nachhaltiges Material, fragwürdige Produktion
Das Gesamtgewicht moderner Reifen geht meist zwischen 10 bis 40 Prozent auf Naturkautschuk zurück. Ein natürliches Material, welches aus dem Milchsaft des Kautschukbaums gewonnen wird. Naturkautschuk stellt damit die nachhaltige Alternative zu synthetischem Kautschuk dar, welches auf Erdöl-Basis produziert, meist aber zusätzlich in der Reifenherstellung eingesetzt wird.
Laut WWF fallen rund 70 Prozent des Gesamtbedarfs an Naturkautschuk auf die Autoreifenindustrie ab. Wiederum 90 Prozent des Naturkautschuks wird in Südostasien produziert – meist unter hohem Pestizideinsatz und unter unwürdigen Arbeitsbedingungen. So prangert WWF Menschenrechtsverletzungen an, andere kritisieren wiederum die leichtfertige Verwendung gesundheitsschädlicher Chemikalien und das niedrige Lohnniveau.
Dabei ist der Anbau von Kautschukbäumen prinzipiell gut: Die Bäume binden viel CO2 und können mit einem naturnahen Agroforstsystem nachhaltig genutzt werden – ökologisch und sozial. Dieser Verantwortung stellen sich immer mehr Reifenhersteller, indem sie „guten“ Naturkautschuk verwenden, dessen Rückverfolgbarkeit über die gesamte Lieferkette gegeben ist.
Mikroplastik durch Reifenabrieb
Ein weiteres großes Problem ist die Umweltbelastung durch Reifenabrieb. So verweist der ADAC darauf, dass die meisten Mikroplastik-Emissionen vom Abrieb der Autoreifen stammen. Der durchschnittliche Abrieb pro Auto wären rund 120 Gramm pro 1.000 Kilometer – davon fällt in Deutschland rund ein Drittel auf synthetischen Kautschuk ab. Zwar könnten die Mikroplastik-Emissionen aufgrund ihrer Größe nicht tief in den Atemtrakt von Menschen eindringen, doch „Gewässer und Böden werden zweifellos belastet“.
Dieser Problematik widmet sich die neue Euro-7-Norm, welche Ende 2026 in Kraft treten soll. Darin werden neben „dem Bremsenabrieb auch nichtabgasbezogene Partikel aus Reifenabrieb limitiert“. Inwieweit und auf welche Weise dies geprüft wird, steht noch aus.
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Was ist ein nachhaltiger Reifen?
Aufgrund der diversen ökologischen Nachteile, die herkömmliche Reifen mit sich bringen, stellt sich eine Frage: Was ist ein nachhaltiger Reifen?
Ein nachhaltiger, ökologischer Reifen bietet im Idealfall die gleiche Performance (Grip, Langlebigkeit etc.) wie ein gewöhnlicher Reifen, wird dabei allerdings mit umweltfreundlichen Materialien und Herstellungsverfahren produziert. Ebenso spielt laut Continental die Entsorgung eine entscheidende Rolle: „Ein nachhaltiger Reifen, der auf das Ende seiner Lebensdauer ausgelegt ist, kann effizienter recycelt, wiederverwendet oder sicher entsorgt werden, wodurch der Reifenabfall verringert wird.“ Reifen könnten entsprechend in die Kreislaufwirtschaft eingebunden werden, als Brennmaterial in Industrieanlagen genutzt oder als Gummigranulat, gummierter Asphalt oder Mulch ein neues Leben erhalten.
Ein entscheidender Faktor in puncto Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit sind aber nicht nur die Materialien, sondern auch der Rollwiderstand der neuen Reifen-Generationen. Je geringer der Rollwiderstand, desto mehr reduziert sich der Kraftstoffverbrauch. Dies müssen Reifenhersteller ebenfalls beachten.
Runderneuerte Reifen als umweltfreundliche Alternative zu Neureifen
Einen kreativen Recycling-Ansatz verfolgen diverse Unternehmen, die runderneuerte Reifen anbieten. Diese Spezialisten kaufen alte Reifen auf und prüfen, ob es Schäden an der Karkasse, also dem Reifenunterbau, gibt. Trifft dies nicht zu, kann der alte Laufflächengummi entfernt und durch verschiedene Prozesse erneuert werden.
Doch wieso sind runderneuerte Reifen umweltfreundlich? In Deutschland fallen jedes Jahr fast 60 Millionen Altreifen an und „nur etwa die Hälfte der ausgedienten Pneus wird zum Beispiel zu Gummigranulat verarbeitet“ (ADAC). Runderneuerte Reifen nutzen hingegen wertvolle Rohstoffe wie Stahl und Gummi und sparen dadurch erheblich an Wasser, Rohöl und Energie ein. Bei einem „schweren Lkw-Reifen etwa 50 Kilo Material“.
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Nachhaltige Reifen: Die grüne Zukunft der Reifenindustrie
Runderneuerte Reifen bieten eine umweltfreundliche Alternative zu herkömmlichen Neureifen, stellen sich aber nicht der Quelle des eigentlichen Problems. Fast alle großen Reifenhersteller haben sich deshalb einem anderen Ziel verschrieben und versuchen stattdessen, den Prozentsatz nachhaltiger und recycelter Materialien in den Reifen sukzessive zu erhöhen. Goodyear will bis 2030 einen Reifen herstellen, der zu 100 Prozent aus erneuerbaren und recycelbaren Materialien besteht, Michelin und Continental streben bis spätestens 2050 eine klimaneutrale Produktion an.
Schon heute haben die Reifenhersteller diverse Modelle im Angebot, die zu einem erheblichen Teil aus solchen grünen Materialien bestehen. Bei Continental besteht der UltraContact NXT bis zu 65 Prozent aus recycelten, erneuerbaren und zertifizierten Stoffen. Pirelli wiederum produzierte den ersten Reifen, der nach Standards der Forest Stewardship Council (FSC) zertifiziert ist und aus Naturkautschuk und Rayon Zellulose besteht.
Forschung ebnet den Weg für Öko-Reifen
Einen Entwicklungsschub hin zu einer nachhaltigen Reifenindustrie und zu ökologischen Reifen ermöglichte die Forschung. So werden Reifenhersteller zukünftig auf neue Materialien setzen oder altbekannte, die auf umweltfreundliche Weise hergestellt werden. Als Ersatz für synthetischen Kautschuk experimentieren einige mit Kautschuk aus Löwenzahn oder Guayule, der mexikanischen Gummipflanze. In der Reifenkarkasse kann Rayon zum Einsatz kommen, ebenso recycelter Stahl.
Altreifen werden durch Pyrolyse in den Prozess der Neureifen-Herstellung einbezogen, wie auch Bio- und zirkuläre Polymere, Pflanzenöle und -Harze. Silica aus mineralischem Sand dürfte in Zukunft durch Silica aus Reishülsenasche ersetzt werden – der Kreativität scheinen keine Grenzen gesetzt. Dies beweist Nokian Tyres, die an einem synthetischem Kautschuk aus Birkenrindenresten arbeiten, welche als Abfallprodukt der Zellstoff-, Papier- und Sperrholzindustrie anfallen.
Fazit: Die Reifenindustrie wird grüner – braucht aber noch Zeit
Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit sind Themen, die in jedem Bereich zu einem zentralen Faktor werden. Das gilt auch für die Reifenindustrie, welche sich aufgrund verschiedenster ökologischer Probleme im Wandel befindet.
Die gute Nachricht: Die Reifenindustrie nimmt die Herausforderung an, tüftelt bereits seit Jahren an nachhaltigen Lösungen, verbesserten Recycling-Prozessen und innovativen Materialien. Die Ergebnisse dieser Bemühungen finden sich schon heute in Reifen, die zu einem Großteil aus recycelbaren und nachhaltigen Materialien bestehen. Bis die ersten Reifen aus 100 Prozent solcher Stoffe bestehen, werden jedoch noch ein paar Jahre vergehen.
Sie haben eine Frage zu Reifen oder einer Werkstattleistung? Reifen Simon, Ihr Reifenexperte in der Region Trier-Saarburg, hilft weiter.